Wie ein architektonisches Farbkonzept im Garten lesbar wird : Anorak-Haus Risch (ZG)
Der klar geführte Baukörper bildet den ruhigen Hintergrund für eine bewusst weich und beweglich angelegte Staudenpflanzung. Der organisch geschwungene Weg führt durch den Garten und öffnet den Raum in Richtung See.
Projektübersicht
2EFH Umbau & Neuanlage Grünflächen
Auftraggeber: Privat
Architekt: Holdener Architecture & Design, Wauwil
Bauleitung: B2 Bauleitung, Sempach
Begrünungskonzept: Charlie Bee -EDEN FÜR JEDEN, Dottikon
Gartenbau & Technik: Felder Gartenbau, Root
Farbkonzept in der Pflanzplanung
Skizze Farbkonzept Umgebungsgrün, Anorak-Haus in Risch: Holdener Architecture & Design und Studio Daniela Schönbächler, Wauwil (Luzern)
Architektonisches Farbkonzept
Gesamtfläche Staudenfläche: 300m2
Gesamtfläche Grünfläche: 380m2 (ohne Böschung)
Planung Landschaftsarchitektur & Begrünung: Winter-Frühling 2022
Gartenbau/Bepflanzung: Frühling/Herbst 2022
Gartenpflege/Pflegekonzept: Charlie Bee - EDEN FÜR JEDEN (laufend)
Grundrissplan Umgebungsgrün
Gartenplanung mit organischer Wegführung und Staudenkompositionen in Grün-, Rot-, Blau-, Weiss-, Beige- & Brauntönen. Skizze: Claudio Holdener Architecture & Design.
Ausgangslage
Das Anorak-Haus in Risch wurde umfassend umgebaut. Die architektonische Haltung ist klar, reduziert und geprägt von dunklen Materialien, Holz und einer starken Formensprache. Die Umgebung sollte diesen Charakter aufnehmen, ohne ihn zu spiegeln. Ziel war kein ruhiger Gegenpol, sondern eine lebendige, organische Pflanzung, die Kontrast erzeugt und gleichzeitig mit der Architektur verbunden bleibt.
Plant Design ‘Serpentine Gallery’ von Piet Oudolf
Vom Architekturbüro kamen klare gestalterische Leitplanken: ein Farbkonzept mit dominierenden Grünabstufungen, ergänzt durch Weiss-, Beige- und Brauntöne, gezielte Rotflächen sowie punktuelle Blautöne. Als atmosphärische Referenz diente unter anderem das Pflanzdesign der Serpentine Gallery von Piet Oudolf – weniger als formale Kopie, vielmehr als Haltung: vielschichtige Staudenpflanzung, lesbar, aber nicht statisch.
Organische Wegführung durch Gräser- und Staudenrabatten machen die Natur erlebbar. Biodiverse Pflanzschemen nach Lebensbereichen, Höhenstaffelungen und Farbkonzept.
Topografie, Boden und Exposition als Entwurfsparameter
Die Grünflächen liegen umlaufend um das Gebäude und sind unterschiedlichen Expositionen ausgesetzt. Zwischen Nord-, Ost-, Süd- und Westseiten entstehen stark variierende Lichtverhältnisse mit Schlagschatten, sonnigen Bereichen und Übergangszonen. Der Boden ist tonig-lehmhaltig, im Sommer hart und auch bei Nässe schwer zu bearbeiten, stellenweise wechselfeucht.
Ein vollständiger Bodenaustausch war weder vorgesehen noch sinnvoll. Stattdessen wurde mit dem vorhandenen Boden gearbeitet. Die Rasennarbe wurde abgetragen, der Boden gefräst und punktuell gelockert. Entscheidend waren Bombierungen: modellierte Aufschüttungen an Rändern und Teilbereichen, die sowohl gestalterisch als auch funktional wirken. Sie schaffen Höhenstaffelung, bessere Drainage und ermöglichen den Einsatz von Pflanzen, die im gewachsenen Boden nicht dauerhaft bestehen würden – insbesondere in den trockeneren, wärmeren Bereichen.
Gezielte Geländemodellierung durch Bombierungen: Höhenstaffelung, bessere Wasserführung und angepasste Pflanzstandorte im bestehenden Boden.
Standortgerechte Pflanzplanung nach Lebensbereichen
Die Pflanzung umfasst rund 300 m² Staudenflächen und folgt dem Prinzip der biodiversen Staudenmischpflanzung. Es wurde bewusst mit einer hohen Arten- und Sortenzahl gearbeitet, um lange Blühzeiten, saisonale Dynamik und ökologische Vielfalt zu erreichen. Gleichzeitig sorgen Wiederholungen von Leitpflanzen, Gräsern und Strukturelementen für Lesbarkeit und Zusammenhalt.
Die Pflanzliste ist international geprägt: Einheimische Arten, Präriepflanzen, asiatische Stauden, mediterrane Halbsträucher und einzelne Arten aus anderen Klimaräumen werden standortgerecht kombiniert. Entscheidend war nicht die Herkunft, sondern die Eignung für Boden, Exposition und gewünschte Wirkung.
Ein zentrales Thema war das Farbkonzept. Herausfordernde Farbbereiche wie Beige, Braun oder gedeckte Grüntöne wurden gezielt eingesetzt und über Struktur, Blattfarben und Herbst-/Winteraspekte getragen. Rot- und Blautöne erscheinen als gezielte Akzente, nicht als dominierende Flächen. Die Pflanzung wirkt dadurch lebendig, aber nicht unruhig.
Ein geschwungener, schmaler Weg aus wassergebundenem Belag erschliesst die Pflanzung. Er führt durch die Staudenflächen, ermöglicht Nähe und verändert die Wahrnehmung des Gartens im Gehen. Ergänzt wird dies durch sickerfähige Beläge wie Rasengittersteine im Parkplatzbereich. Eine Bewässerungsanlage wurde bewusst nicht vorgesehen.
Sickerfähige Beläge aus wassergebundenem Weg (Mergelbelag aus Altdorfer Quarzsandstein) und Rasengittersteinen im Schwammstadtprinzip.
Schwammstadt-Prinzipien und Nachhaltigkeit
Das Projekt integriert zentrale Elemente klimaangepasster Freiraumgestaltung:
sickerfähige Beläge, unversiegelte Bodenflächen, modellierte Topografie, standortgerechte Pflanzenauswahl und eine hohe Durchwurzelung des Bodens. Niederschläge können versickern, temporäre Feuchte wird aufgenommen und wieder abgegeben.
Nachhaltigkeit zeigt sich hier nicht in maximalem Materialeinsatz, sondern im Gegenteil: durch Ressourcenschonung. Der vorhandene Boden wurde genutzt, Materialabtrag minimiert und nur dort ergänzt, wo es funktional und gestalterisch notwendig war. Diese Haltung prägt das gesamte Begrünungskonzept.
Pflege als Teil des Entwurfs
Die Pflege wurde von Beginn an mitgedacht. Die Staudenpflanzung ist nicht auf maximale Kontrolle ausgelegt, sondern auf Entwicklung. Gepflegt wird regelmässig, aber punktuell. Spontane Ansamungen werden beurteilt: Wo sie nicht stören oder bereichern, bleiben sie bestehen. Wo sie andere Pflanzen verdrängen, wird eingegriffen.
Diese Form der Pflege setzt Fachwissen voraus, ist aber effizient. Der Aufwand bleibt überschaubar und konzentriert sich auf die ersten Jahre sowie auf gezielte Eingriffe. Die Pflanzung darf sich verändern, ohne ihre Struktur zu verlieren.
Kontext, Umgebung und Schnittstellen
Bei der Planung der umlaufenden Bepflanzung wurden die direkten Nachbarinnen und Nachbarn von Beginn an einbezogen. Diese frühe Kommunikation durch den Bauherrn erwies sich als zentral für die spätere Umsetzung. Die offene, lebendige Pflanzung wurde nicht als Störung wahrgenommen, sondern von Anfang an mitgetragen.
Im Alltag zeigt sich eine soziale Wirkung, die nicht geplant, aber real ist: Einzelne Pflanzideen werden von Nachbarparzellen übernommen, wintergrüne Kräuter werden genutzt, Gespräche entstehen. Die Pflanzung wirkt damit über das Grundstück hinaus, ohne ihre gestalterische Haltung zu verlieren. Diese Form der stillen Akzeptanz und Aneignung ist ein direkter Effekt der Planung und der Art, wie sie im Quartier verankert wurde.
Fazit
Das Projekt Anorak-Haus in Risch steht exemplarisch für eine enge und funktionierende Zusammenarbeit zwischen Bauherrschaft, Architektur, Gartenbau und Pflanzplanung. Eine klare architektonische Haltung, ein präzises Farb- und Begrünungskonzept sowie eine realistische Pflegepraxis greifen ineinander.
Die Pflanzung ist vielfältig und dynamisch, zugleich strukturiert und lesbar. Sie reagiert auf Ort, Boden und Nutzung, ohne sich zu überinszenieren. Nicht zuletzt zeigt das Projekt, dass zeitgemässe, biodiverse Pflanzkonzepte im Wohnumfeld funktionieren können – gestalterisch, ökologisch und im Alltag.
Fragen zu Pflanzplanung, Farbkonzept oder Pflege werden in ähnlichen Projekten immer wieder neu gestellt. Der Blog dokumentiert diese Prozesse anhand realisierter Arbeiten.

